Die Reconquista in Spanien

Die Reconquista ist die längste zusammenhängende historische Periode in der Geschichte Spaniens. Sie dauerte vom Jahr 722 (Schlacht von Covadonga) bis zum Jahr 1492 (Eroberung Granadas) und bezeichnet die Zeit der Rückeroberung der von Mauren besetzten Gebiete auf der iberischen Halbinsel durch die Christen. Ob das alles wirklich so stattgefunden hat? Nichts Genaues weiß man nicht.
Reconquista Spanien
Boabdil übergibt 1492 Granada an das spanische Königspaar (Historienbild von 1882) ( Gemeinfrei )

Conquista – die maurischen Eroberungen

Reconquista bedeutet Rückeroberung. Der Begriff impliziert, dass vorher eine Eroberung stattgefunden hat. Und da fangen die Schwierigkeiten bereits an.

Drei Tathergänge werden nebeneinander angeboten:

1. Von 661 bis 750 n.Chr. stellte in Damaskus der arabische Familienclan der Omayyaden aus dem Stamm der Quraisch aus Mekka den Kalifen und begründete damit die erste Herrscherdynastie der noch jungen islamischen Geschichte. Diesem Stamm hatte auch der Religionsgründer Mohammed angehört. Tariq ibn Ziyad, ein Maure (islamisierter Berber) und umayyadischer Gouverneur von Tanger in Marokko soll im Frühjahr 711 mit 7.000 Kriegern von Marokko nach Andalusien übergesetzt haben. Nachdem er weitere 5.000 Mann Verstärkung erhalten hatte, soll er am 26. Juli nach einer 7-tägigen Schlacht den Westgotenkönig Roderich am Fluss Río Guadalete besiegt haben. Roderich soll in dieser Schlacht gefallen sein.

Zusammen mit seinem Vorgesetzten Musa Ibn Musair, dem irakischen Araber und Umayyaden-Statthalter der Region Ifriqia (den heutigen Küstenregionen des Maghreb) eroberte Tariq im Jahre 712 den Süden Spaniens bis nach Toledo und Zaragoza. Die Araber siedelten sich im Süden an, die Berber an der Nordgrenze der Eroberungen. Ehe Tariq die Pyrenäen nach Frankreich überqueren konnte, wurden er und Musa im Jahre 714 vom Kalifen al-Walid I. nach Damaskus beordert und ihrer Ämter enthoben, weil sie die Eroberung Andalusiens eigenmächtig vorgenommen hatten. Außerdem soll im Jahre 722 die Schlacht von Covadonga im heutigen Nationalpark Picos de Europa in Asturien in Nordspanien stattgefunden haben, bei der die christlichen Asturier unter ihrem legendären Führer Pelayo ein maurisches Heer besiegt haben sollen. Diese Schlacht markiert den angeblichen Beginn der christlichen Reconquista auf der iberischen Halbinsel.

2. Im Jahre 750 massakrierte die religiöse Bewegung der muslimischen Abbasiden im Irak die Familie des Umayyaden Kalifen Marwan II. Als einziger aus der Umayyaden-Familie konnte angeblich ein Prinz nach al-Andalus entkommen und gründete im Jahr 756 als Abd ar-Rahman I. das Emirat von Córdoba in al-Andalus.

3. Der Arabist Emilio González Ferrín von der Universität Sevilla behauptet hingegen, dass es im 8. Jahrhundert gar keine gezielte muslimisch-arabische Eroberung Spaniens gegeben habe. Diese sei erst im 11.Jahrhundert durch die marokkanischen Almoraviden behauptet worden, um ihre muslimische Präsenz in Andalusien zu legitimieren. Hierzu passt die These, dass der gotische Graf Julián von Ceuta im Jahr 711 seine Tochter Cava Florinda an den westgotischen Königshof in Toledo geschickt hatte. Dort wurde Cava Florinda von dem Westgotenkönig Roderich vergewaltigt und geschwängert. Als Graf Julián dies hörte, war er so erzürnt, dass er mit dem Gouverneur von Tanger, dem Mauren Tariq ibn Ziyad, ein Bündnis zur Rache gegen den König schloss. Die Truppen der beiden Adeligen setzten über die Meerenge von Gibraltar auf das spanische Festland über, um König Roderich zu bestrafen. Anschließend blieben die Mauren für 800 Jahre auf der iberischen Halbinsel. Sollte diese Version stimmen, dann hätte sie weitreichende politische Konsequenzen. Denn dann wäre die Enklave Ceuta keine spanische Kolonie, sondern seit Alters her rechtmäßiges spanisches Territorium.

In den 400 Jahren nach der Schlacht am Río Guadalete soll es in Südspanien immer wieder zu Fehden zwischen kleinen christlichen und kleinen muslimischen Fürstentümern, den so genannten Taifas, gekommen sein, wobei diese auch immer mal wieder wechselseitig untereinander verbündet waren.

Zu den Ungereimtheiten gehört auch, dass die Mauren anders als in Variante 1 berichtet, doch über die Pyrenäen nach Aquitanien und Gallien gezogen und dort im Oktober 732 in der Schlacht von Tours und Poitiers von dem fränkischen Hausmeier Karl Martell besiegt worden sein sollen. Diese Schlacht gehört in der abendländischen Geschichtsschreibung zum Gründungsmythos des fränkischen Herrschergeschlechts der Karolinger mit ihrer Ikone Kaiser Karl der Große. Abd ar-Rahman soll in der Schlacht gefallen sein und die Mauren sollen sich sofort wieder in Richtung Pyrenäen zurückgezogen haben. Bis auf Asturien und das Baskenland soll damals ganz Spanien von den Muslimen besetzt gewesen sein. Im Jahr 778 soll Karl der Große mit einem fränkischen Heer bis nach Zaragoza gezogen sein. Er hatte aber kein Material für die Belagerung der Stadt. Auf dem Rückzug soll seine Nachhut bei dem Ort Roncevalles in den Pyrenäen in einen Hinterhalt der Basken gefallen sein. Daraus entwickelte sich später in der Zeit der Kreuzzüge (1095 – 1291) die Rolandssage.

Nun fragt man sich natürlich, wie Abd ar Rahman im Jahr 750 aus Damaskus nach Andalusien fliehen konnte, wenn er doch schon 732 in Gallien gefallen ist? Dazu passt, dass man in der Umgebung von Tours und Poitiers bis heute keine archäologischen Überreste von Knochen, Rüstungen und Waffen gefunden hat, die man einer Schlacht zuordnen könnte. Auch die mittelalterliche abendländische oder arabische Geschichtsschreibung weiß nichts von dieser großen Schlacht, obwohl sie Europa vor der Islamisierung bewahrt haben soll. Das wurde so aber erst seit dem Jahr 1788 behauptet, nämlich von dem britischen Historiker Gibbons in dem Geschichtswerk The History of the Decline and Fall of the Roman Empire.

Auch eine andere angeblich bedeutende Schlacht der Weltgeschichte, nämlich die Schlacht am Fluß Talas im heutigen Kirgisistan soll im Jahr 751 geschlagen worden sein. Dort geht es um nichts Geringeres als dass die islamischen Abbasiden das Heer der chinesischen Tang-Kaiser unter dem koreanischen General Gao Xianzhi (Koreanisch: Go Seonji) geschlagen und China damit auf ewig daran gehindert haben sollen, das chinesische Kaiserreich nach Westen auszudehnen. Die ansonsten schreibfreudige Tang-Dynastie weiß von der Schlacht nichts. Auch in der koreanischen Geschichtsschreibung hat General Go Seonji keinen Ehrenplatz. Außerdem ist unwahrscheinlich, dass die Abbasiden nur ein Jahr, nachdem sie die Umayyaden in Damaskus in blutigen Kämpfen vom Thron gestoßen hatten, bereits im 2.500 km entfernten Usbekistan eine Schlacht mit angeblich 100.000 Kämpfern gegen die gut organisierten 30.000 Soldaten der Chinesen gewinnen konnten. Auch zeitgenössische arabische Quellen erwähnen die Schlacht nicht. Erst in der arabischen Geschichtsschreibung im 12.Jahrhundert wird über die Schlacht am Talas berichtet.

Zwischen 844 und 940 sollen die Wikinger drei Mal in Lissabon sowie in Spanien zwischen Cádiz und den Balearen eingefallen und von maurischen Truppen nach ausgedehnten Raubzügen und Brandschatzungen wieder aufs Mittelmeer gedrängt worden sein. Von dort hätten sie ihre Raubzüge nach Aquitanien und bis nach Rom und Griechenland verlagert. Dass die Wikinger überhaupt je bis zum Mittelmeer vorgestoßen sind, ist allerdings historisch nicht zweifelsfrei belegt.

Die Reconquista

Im Jahr 1046 fällt der Maghreb unter die Herrschaft einer muslimischen Berbergruppe, die sich Almoraviden nennt. Sie bringen nach und nach ganz Nordafrika bis nach Ghana unter ihre Kontrolle. Im Jahr 1086 ersucht der muslimischen Emir von Sevilla die Almoraviden um Hilfe gegen die Truppen des Königs von Leon und Kastilien Alfons VI., der 1085 Toledo erobert und dort und seinen Anspruch auf ganz Spanien verkündet hatte. Der almoravidische Berberführer Ibn Taschfin landet mit seinen Truppen in Algeciras und besiegt 1086 König Alfons vernichtend in der Schlacht von Zallaqua, in der Nähe der heutigen Stadt Badajoz. Der Söldnerführer Rodrigo Díaz de Vivar, genannt El Cid hatte Alfons noch abgeraten, diese offene Feldschlacht zu wagen. Anschließend kassiert Ibn Taschfin die ganzen muslimischen Taifas und christlichen Fürstentümer im Süden Spaniens ein und beendet das Kalifat von Córdoba.

Der puritanische Islam der Almoraviden, der sich sowohl gegen Christen und Juden als auch gegen „nachlässige“ Muslime richtet, führt in der städtischen andalusischen Kultur zu erheblichen Widerständen. Nur Valencia unter El Cid und Zaragoza unter den muslimischen Hudiden, die dem christlichen König Alfons VI. Tribut zahlen, können ihre Selbständigkeit zunächst behaupten. Da ihm das Wetter in Spanien nicht gefällt, kehrt Ibn Taschfin bereits nach einem Jahr in seine marokkanische Hauptstadt Marrakesch zurück.

Unter dem Almoraviden-Herrscher Ali ibn Yusuf werden schließlich auch Valencia, Zaragoza und die Balearen unterworfen, nachdem El Cid 1102 in der Schlacht um Valencia gefallen ist. Allerdings geht Zaragoza schon 1118 wieder an das christliche Aragon verloren, während im südlichen Marokko die maurische Reformbewegung der Almohaden die Almoraviden verdrängt.

Die Almohaden erobern al-Andalus im Jahre 1146 und sind noch strenggläubiger als die Almoraviden. 1195 können die Almohaden einen Angriff des kastilischen Königs Alfons VIII. in der Schlacht bei Alarcos, in der Nähe der heutigen Stadt Ciudad Real, abwehren. Daraufhin ruft Papst Innozenz III. zu einem Kreuzzug in Spanien auf. Rodrigo Jiménez de Rada, der Erzbischof von Toledo, organisiert ein Bündnis der Königreiche Portugal, León, Kastilien, Navarra und Aragón gegen die Almohaden. Am 16. Juli 1212 kommt es zur Schlacht bei Las Navas de Tolosa, in der Nähe der heutigen Stadt Jaén. Geschätzt 12.000 Kämpfer des christlichen Heeres unter Alfons VIII. besiegen ca. 22.000 Soldaten der Almohaden, deren Reste die Flucht ergreifen. Die Legende der Unbesiegbarkeit der Muslime ist widerlegt. Córdoba fällt 1236, Sevilla 1248 und Cádiz 1261. Was dann noch bleibt, sind Scharmützel zwischen den christlichen Truppen und den Soldaten des Emirs von Granada, dem letzten muslimischen Territorium auf der iberischen Halbinsel, das sich von Murcia bis Tarifa erstreckt.

1330 kommt es bei Teba in der Nähe der heutigen Stadt Campillos zu einer Schlacht zwischen König Alfons XI. von Kastilien-León und dem Emir Muhammad IV. von Granada, bei der die Christen eine Burg erobern können. Muhammad IV. bittet daher, den Meriniden-Sultan Abu Hasan aus Marokko um Hilfe. Die Berberdynastie der Meriniden hatte 1269 in Marokko die Macht von den Almohaden übernommen. Abu Hasan versenkt eine christliche Flotte in der Meerenge von Gibraltar, landet in Algeciras und marschiert nach Tarifa. Dort kommt es 1340 zur Schlacht am Salado mit einer von Alfons XI. angeführten christlichen Allianz aus Kastiliern, Aragónern, Portugiesen und Franzosen. Die Meriniden müssen sich nach Algeciras zurückziehen, das 1343 nach zwei Jahren Belagerung von den Christen eingenommen wird.

Nun hätte Kastilien die militärische Macht besessen, das letzte muslimische Territorium, nämlich das Nasridenreich Granada zu erobern. Es erscheint dem König von Kastilien aber wirtschaftlich lukrativer, über die Nasriden und ihre nordafrikanischen Freunde an Gold aus Afrika zu gelangen, das die Nasriden teilweise als Tribut an das Königreich Kastilien abführen müssen. Granada bleibt somit ein Vasallenstaat des christlichen Kastilien und wird erst 1492 durch die Truppen der Königin Isabella I. von Kastilien und León und des Königs von Aragón, Ferdinand II., erobert, die danach sofort Christoph Kolumbus beauftragen, den westlichen Seeweg nach Indien zu erkunden, was zur Entdeckung Amerikas führt. Aber das ist eine andere Geschichte. 1502 folgt die Ausweisung der noch in Spanien verbliebenen Muslime nach Nordafrika.

Als in Marokko das Merinidenreich zerfällt, kann Portugal im Jahr 1415 die Stadt Ceuta und 1471 die Hafenstadt Tanger einnehmen. Bis 1513 bekommen die Portugiesen alle Häfen an der marokkanischen Atlantikküste in ihre Hand. So können weitere Angriffe von marokkanischen Berberstämmen auf das von der Reconquista befreite spanische Festland auf Dauer unterbunden werden.

Kritik der offiziellen Geschichtsschreibung

Die Zeit zwischen dem Ende der Herrschaft der Merowinger-Könige ca. im Jahr 613 bis zur Krönung des fränkischen Herzogs Konrad I. im Jahr 935 zum ersten deutschen König, der nicht dem Herrschergeschlecht der Karolinger angehörte, wird in der Geschichtswissenschaft als „das dunkle Mittelalter“ bezeichnet. Dunkel deswegen, weil es kaum archäologische Funde aus dieser Zeit gibt und weil sich herausstellt, dass die meisten Urkunden gefälscht und zu späteren Zeiten nachträglich angefertigt worden sind. Im Mittelalter sind nur die katholischen Mönche (und im muslimischen Spanien die jüdischen Gelehrten) des Lesens und Schreibens kundig. Die spanischen Juden werden im Jahr 1592 nach der Einnahme von Granada von den katholischen Königen samt ihrer Schriften des Landes verwiesen.

Die christlichen Mönche haben ein Interesse, Urkunden zu erstellen, aus denen angeblich „bewiesen“ werden kann, dass der jeweilige Kaiser oder König der Kirche Land geschenkt hatte. Und die Story von der Krönung Karls zum Kaiser durch den Papst in Rom taugt gut dazu, den Gläubigen den Vorrang des Papsttums vor dem Kaisertum zu demonstrieren.

Heribert Illig hat deshalb vorgeschlagen, die Zeit zwischen 613 und 935 als erfunden und niemals existent zu betrachten (näheres dazu in seinem Buch „Das erfundene Mittelalter“), hat aber dafür in der Zunft der Mittelalterforscher (Mediävistik) keine Unterstützung gefunden.

Die Mediävistik, die Illigs These verwirft, muss nun erklären, wie die Reconquista absurde 770 Jahre gedauert haben kann. Wenn man sich vergegenwärtigt, welche Verheerungen und Verluste an Menschenleben der „Dreißigjährige Krieg“ 1618 bis 1648 in Mitteleuropa angerichtet hat, dann wundert man sich, dass Südspanien in den behaupteten 770 Jahren der hin und her wogenden Reconquista nicht völlig zerstört und entvölkert worden ist.

Man stelle sich einen Augenblick den Aufschrei vor, der durch die muslimische Welt gehen würde, falls US-amerikanische Truppen Mekka und die den Muslimen heilige Kasbah besetzen würden. So etwas aber ist der Christenheit im Jahr 1187 passiert, als Sultan Saladdin die Stadt Jerusalem erobert und damit die kostbarste Reliquie der Christenheit, das Grab von Jesus Christus, in die Hand der verhassten Muslime fällt. Von der Nachricht über diese Schmach versuchen die christlichen Mönche in Europa die Gläubigen abzulenken, indem sie Heldentaten christlicher Ritter erfinden, die überall Muslime besiegt hätten. Ein Beispiel ist die christliche Geschichtsschreibung aus dem 12. Jahrhundert über die Schlacht von Covadonga im Jahr 714, mit der angeblich in Spanien die Reconquista begann. Über den christlichen Anführer Pelayo wird da berichtet, er habe ein muslimisches Heer von 124.000 Kämpfern besiegt. Die muslimische Geschichtsschreibung hingegen behauptet, Pelayo habe über 300 Soldaten verfügt, von denen 30 in die asturischen Wälder entkommen konnten. Den muslimischen Truppen sei die Verfolgung der 30 Mann in den Wäldern zu aufwändig erschienen, so dass diese nicht mehr verfolgt wurden. Beide Darstellungen sind dem Wikipedia Eintrag über Pelayo entnommen.

Im Jahr 1207 verklärt das vom Mönch Père Abat geschriebene Helden-Epos El Cantar de Mio Cid den früheren Söldnerführer El Cid zum spanischen Nationalhelden. In dem Werk wird der Cid dargestellt als die Idealfigur des spanischen Ritters und als Vorreiter der Kreuzzugsidee. Der Cid soll als Verteidiger der Christenheit und als strahlender Sieger über die Mauren erscheinen. Daher wird großzügig darüber hinweggesehen, dass der Cid lange Zeit im Dienste maurischer Fürsten gestanden haben und dabei auch einige christliche Fürsten bekämpft haben soll.

Es ist ja nicht zu leugnen, dass sich Muslime aus Marokko längere Zeit in Andalusien aufgehalten und große kulturelle Leistungen erbracht haben. Steinerne Zeugnisse dafür sind die Alhambra in Granada, die Mezquita in Córdoba, die Alcazaba in Málaga und viele andere Gebäude. Auch die Reconquista mit ihren ständigen Grenzverschiebungen zwischen dem christlichen und dem muslimischen Lager hat natürlich stattgefunden, wie der Zusatz „de la Frontera“ in Ortsnamen wie Jerez de la Frontera, Arcos de la Frontera, Jimena de la Frontera und Cortes de la Frontera bezeugen.

Die spannende Frage ist aber, wann und wie lange sich das alles zugetragen hat? Bis weit in das 19.Jahrhundert hinein hat man weltweit nicht mit „im Jahr sowieso nach Christus“ datiert, sondern nach Jahren der Regentschaft des jeweiligen lokalen Herrschers, also z.B. nicht mit „im Jahre 1592 nach Christus“, sondern „im Jahre 18 der Regentschaft der katholischen Majestäten Isabella I. und Ferdinand II.“. Ob dann später die Zuordnung dieser Regentschaften auf den Zeitstrahl der christlichen Zeitrechnung immer korrekt erfolgt ist, bleibt ein ungelöstes Geheimnis.

Versuch einer zeitlichen Eingrenzung der Reconquista

Um zu einer handhabbaren Dauer der Reconquista zu gelangen, könnte man den Faden von Emilio González Ferrín von der Universität Sevilla noch mal aufnehmen, der für das 8.Jahrhundert keine gezielte Eroberung Spaniens durch nordafrikanische muslimische Truppen annimmt, sondern nur Fehden zwischen christlichen Grafen und muslimischen Taifas, wie wir sie für Deutschland aus der Zeit der Raubritter bis 1495 kennen. Diese lokal begrenzten Fehden könnten sich in Spanien bis ins 12. Jahrhundert hingezogen haben, was dem muslimischen Prunkstück Córdoba eine Blütezeit in Architektur und Kultur ermöglichte. Vielleicht sind ja auch die Berberdynastien der Almoraviden und die Almohaden identisch? Dann könnte man für den Beginn der gezielten muslimischen Eroberung Spaniens das Jahr 1146 annehmen. Die christliche Reconquista begänne somit erst 1195 mit der Schlacht von Alarcos und endete im Wesentlichen mit der Einnahme von Cádiz 1261. Zu diesem Ablauf würde passen, dass El Cid, wie oben angedeutet, nur eine erfundene Kunstfigur ist. Die späteren Schlachten zwischen 1330 und 1343 in Teba, bei Tarifa und um Algeciras zwischen dem Emir von Granada und dem König von Kastilien wären singuläre Ereignisse und änderten an der stabilen Lage der „Frontera“ nichts Grundsätzliches mehr. Bis die Christen 1492 dem Emirat Granada ein Ende bereiten und die letzten Muslime aus dem Lande jagen.

Von Wolfgang Zöllner

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