Traumstraße A397 - der Weg ist das Ziel

Von meiner bescheidenen Ferienwohnung an der Costa del Sol fahre ich oft zum Wandern in das Hinterland. Die Küste trägt ihren Namen zu Recht, denn die Gebirge, welche sich circa 5 km von der Strandlinie entfernt erheben, halten die mit den Westwinden über Spanien hereindrückenden Regenwolken der atlantischen Tiefs von der Mittelmeerküste fern.
Sierra de las Nieves Reisebericht
Blick von der A397 in den Naturpark Sierra de las Nieves ( Foto: Wolfgang Zöllner )

Anregungen für einen Ausflug auf der A397

Hin und wieder drängen aber die Regenwolken nicht aus dem Norden, sondern aus dem nahen Marokko über das Meer an die Sonnenküste. An solchen Tagen scheint dann jedoch die Sonne ziemlich sicher in den Bergen um Ronda, und ich entfliehe dem trostlosen Regentag an der Küste mit dem Auto auf der A397 nach oben. San Pedro ist der älteste Stadtteil von Marbella und liegt zwischen Puerto Banús und Estepona auf der westlichen Seite der Jetset Metropole. Die gut ausgebaute "Bundesstraße" A397 verbindet von San Pedro aus die Küste mit der Stadt Ronda, die durch Ernest Hemingway in der ganzen Welt bekannt wurde und vielen als die spanischste Stadt in Spanien gilt.

Eigentlich gehöre ich zu den nüchternen Zeitgenossen, die ein Auto nur dazu benutzen um von A nach B zu gelangen. Fahre ich allerdings auf der bestens ausgebauten kurvenreichen Bergstraße von San Pedro nach Ronda, dann erwacht der Tiger in mir. Gleichzeitig wird meine verborgene romantische Seite aktiviert.

Die Hinfahrt nach Ronda

Wenn es sich irgendwie einrichten lässt, fahre ich ganz früh los, um den Sonnenaufgang auf der Bergstraße nicht zu verpassen. Die Chance ist dann außerdem groß, dass ich nicht hinter einem der Kieslaster her schleichen muss, die sich in Richtung Ronda bergauf quälen. Auf der ca. 45 km langen Strecke gibt es nämlich nur wenige Stellen, wo man mal überholen könnte. Ehe die Straße in die bewaldeten Steilhänge der Sierra de las Nieves eintaucht, passiere ich links den letzten Außenposten der Zivilisation: den Millionärs-Hügel La Zagaleta, der zur Gemeinde Benahavís gehört, dem reichsten Dorf Andalusiens. Hartnäckig halten sich die Gerüchte, dass Wladimir Putin dort oben eine Prunkvilla hat bauen lassen für die Zeit, wenn er mal nicht mehr in Russland die erste Geige spielt.

Spätestens hier verschwindet mein Auto in den Wolkentürmen, die sich vom Meer kommend an der Südseite des Gebirges stauen. Es ist jetzt ratsam, die Nebelbeleuchtung einzuschalten. Nach etwa 25 Minuten herrlicher Kurvenfahrt - ohne Sicht spüre ich die Fliehkräfte besonders intensiv und irgendwie rauschhaft - erreiche ich den Pass Puerto El Madroño in 1065 m Höhe. Ab hier verläuft die Straße fast waagerecht. Im Scheitel einer sehr langen Linkskurve reißt der Nebel plötzlich auf und ein noch diffuses Sonnenlicht hinter Hochnebelschleiern blendet mich. Vor allem aber blendet eine riesige weiße Wand, die rechts in den Marmorfelsen gesprengt wurde. Eigentlich eine Bausünde, aber hier wirkt sie wie ein gigantisches natürliches Kunstwerk. In der Rechtskurve am Ende der Wand klart es vollends auf und links öffnet sich der Blick in das Tal der Serrania de Ronda, das wilde Felsengebirge, welches Ronda von der Küstenzone trennt. Wie Wölkchen aus kleinen Spielzeughäuschen hängen die weißen Dörfer, die berühmten Pueblos Blancos, in den Felshängen der Serrania. Die üppige Vegetation wirkt nach der Nebeldusche wie frisch gewaschen. Hinter dem gigantischen Talkessel reihen sich hintereinander versetzt die Kämme mehrere Gebirgsketten, die in unzähligen Nuancen von Grau bis dunkel-violett irgendwie entrückt im frühen Sonnenlicht flirren.

Es geht noch ein wenig bergauf, bis rechts die oft schneebedeckten Bergspitzen des Naturparks Sierra de las Nieves erscheinen, mit dem 1919 m hohen Berg Torrecilla als höchster Erhebung. Ehe die Straße in die Hochebene von Ronda hinunter führt, nehme ich links in der Fernfahrer-Raststätte El Navacillo das typische andalusische Frühstück zu mir: einen Cafe solo mit einer gerösteten Scheibe Brot, bedeckt mit kräftigen Tomatenscheiben und gewürzt mit Olivenöl und Knoblauch.

Die Rückfahrt nach San Pedro

Die Rückfahrt sollte man so planen, dass sie in die Zeit des Sonnenuntergangs fällt. Die Marmorwand schimmert nun rosa, das Grau-Violett der hintereinander verschachtelten Gebirgskämme erscheint noch intensiver und kontrastreicher als am Morgen. Das kontrollierte Dahinbrausen mit 60 bis 80 Stundenkilometern bergab durch die gut ausgebauten Kurven ist ein Genuss. Zwar kann hinter jeder Felsnase unvermutet Gegenverkehr auftauchen, aber die Straße ist breit genug für solche Situationen. Und meist sehe ich den Gegenverkehr schon weit voraus den Berg hoch kriechen, so dass ich abschätzen kann, wann er hinter der zweiten oder dritten Felsnase eintreffen wird.

Auch wenn sich an der Küste die Sonne bereits wieder durchgesetzt hat, können im Mittelabschnitt der Bergstrecke noch Wolkenreste hängen, aus denen es tröpfelt. Dann wölben sich über die Bergstraße wunderschöne Regenbogen. Ich bin davon manchmal so überwältigt, dass ich eine Träne verdrücken muss.

Sonnenuntergang Mittelmeer
Blick von der A397 bei Sonnenuntergang auf das Mittelmeer ( Foto: Wolfgang Zöllner )

Sobald Marbella und die Küste in Sicht kommen, befinde ich mich noch 600 m über dem Meeresspiegel. Der Blick ist atemberaubend:
Das Mittelmeer und ich scheinen auf gleicher Höhe zu sein, der Meeresspiegel erscheint dabei wie zu mir hin geklappt. Wegen der Krümmung des Horizonts wirkt es so, als ob das marokkanische Atlas-Gebirge und der Felsen von Gibraltar über dem Meer in der Luft schwebten, ebenso die zahllosen Schiffe, die vor Gibraltar und in der Bucht von Algeciras auf Reede liegen. Das Meer ist nicht einfach blau. Nein, durch mal hellblaue, mal mittelblaue, mal graue Flecken pflügen sich straßenartige Gebilde in Dunkelblau. Im Licht der untergehenden Sonne schimmern Atlas und Gibraltar intensiv grau-violett-rot, während es rechts neben mir scheint, als seien die kleinen Vorgebirge hinter Marbella mit Blattgold belegt. Lange nachdem ich zu Bett gegangen bin, wabern diese großartigen Bilder noch durch meinen Kopf.

Die A397 schmiegt sich sehr gut in die schöne Gebirgslandschaft ein und stört das Naturerlebnis kaum. Sie sollte eigentlich durch eine Autobahn ersetzt werden, damit die Touristen von den Kreuzfahrtschiffen, die irgendwann einmal in Marbella anlegen sollen, schnell nach Ronda gelangen können. Aber glücklicherweise hat die Bankenkrise von 2008 verhindert, dass für den Hafenausbau und für die Autobahn Geld bereit gestellt werden konnte. Jetzt soll es ja mit Spanien wirtschaftlich wieder aufwärts gehen. Du solltest also nicht zu lange zögern, wenn du den einmaligen Zauber der A397 noch persönlich erleben möchtest.

Von Wolfgang Zöllner

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