Gitanos – die Zigeuner in Andalusien

Niemand weiß, warum vor 1.500 Jahren Menschen aus dem indischen Punjab auf den Balkan zogen. Sie sind umgangssprachlich seit dem 12. Jh. als »Zigeuner« bekannt. Vor ca. 600 Jahren kamen sie auch nach Spanien. Dort nennt man sie bis heute Gitanos.
Gitanos Andalusien
Flamenco-Show in Granada ( Sylvia Biskupek / Shutterstock.com )

Die Geschichte der Gitanos in Andalusien

Der Begriff »Zigeuner« wird abgeleitet aus dem persischen Ciganch (Musiker, Tänzer) oder dem alttürkischen čïgāń, was arm oder mittellos bedeutet. Eine andere Theorie besagt, dass die Inder aus Ägypten in den Ort Gyppe auf dem griechischen Peloponnes kamen. Daher stammt wohl die englische Bezeichnung »Gypsy« für Zigeuner.

Seit den Gräueltaten der Nazis ist die Bezeichnung Zigeuner verpönt. In Deutschland spricht man von Sinti und Roma, weltweit eher von Roma. In Spanien nennt man sie Gitanos. Von den ca. 900.000 spanischen Gitanos leben 40% in Andalusien.

Eine Umfrage in der spanischen Mehrheitsgesellschaft hat ergeben, dass die Gitanos entweder als Künstler oder als Kleinkriminelle wahrgenommen werden, die freiwillig in ärmlichen Verhältnissen leben. Nur 9% der Spanier haben überhaupt persönlichen Kontakt zu Gitanos, was das gegenseitige Verständnis sehr erschwert. Ähnliche Ergebnisse würde vermutlich eine europaweite Befragung ergeben.

Den andalusischen Gitanos verdanken wir den Flamenco. 1883 eröffnete in Sevilla die erste Flamenco Bar. Einer der bekanntesten Flamenco Sänger war der 1909 in Sevilla geborene Gitano Antonio Mairena.

Andererseits trieben Gitanos in der Serranía de Ronda bis zum Anfang des 20. Jh. als Bandoleros (Straßenräuber) ihr Unwesen. In der Literatur werden Gitanos als verschlagene, impulsive und gewalttätige Menschen dargestellt wie z.B. der Zigeuner Pablo im Roman »Wem die Stunde schlägt« von Ernest Hemingway.

Als die spanischen Könige im Jahr 1499 Juden und Muslime des Landes verwiesen, bekamen auch die Gitanos eine Frist von 60 Tagen, entweder das Land zu verlassen oder sich in die Leibeigenschaft bei spanischen Großgrundbesitzern zu begeben. Bei Zuwiderhandlung drohten 100 Peitschenhiebe und Gefängnis, bei Wiederholung wurden die Ohren abgeschnitten.

1749 verfügte König Ferdinand VI den Gran Redada (große Ablehnung). Zehntausende Gitanos wurden verhaftet, Frauen und Männer wurden getrennt und in Arbeitslager verbracht. Der Schrecken dauerte 14 Jahre. Danach vegetierten die Gitanos als Gesetzlose, weitgehend abgeschottet von der spanischen Gesellschaft vor sich hin.

Erst im Jahr 1978 setzte der in Cádiz geborenen erste Gitano Politiker Juan de Dios Ramírez-Heredia durch, dass die Gitanos als spanische Bürger akzeptiert wurden und ihnen Zugang zum Bildungs- und Gesundheitssystem gewährt wurde.

Dennoch bilden eine Analphabetenquote von 55% und die erbärmlichen Lebensverhältnisse in Slums am Rande der Städte bis heute ein großes Hindernis bei der Integration der Gitanos in die spanische Gesellschaft. Die wenigen, die es geschafft haben, bleiben lieber unsichtbar. Denn wer sich als Gitano outet, kriegt keinen Mietvertrag und keinen guten Arbeitsplatz.

Von Wolfgang Zöllner

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