Strom- und Gastarife in Spanien

Es ist jetzt dringend erforderlich, dass du deinen spanischen Wortschatz um die drei Wörter valle, llana und punta erweiterst, ehe du nach mehr als 12 Monaten Corona-Pause deine spanische Ferienimmobilie zum ersten Mal wieder betrittst. Du könntest ohne die Kenntnis der drei Vokabeln bares Geld verlieren – mit dieser Kenntnis aber eventuell sogar gewinnen.

Seit dem 1. Juni wurde nämlich in Spanien gesetzlich ein neues Tarifmodell für den privaten Stromverbrauch verordnet. Bisher war es so, dass dir dein Stromversorger monatlich eine Rechnung mit einem festen Grundbetrag für die Bereitstellung einer Nennleistung von z.B. 5,5 Kilowatt berechnet hat sowie einen Betrag von ca. 12 Cent plus diverser Steuern für jede verbrauchte Kilowattstunde. Wenn du nun selten in deiner Ferienwohnung sein konntest, z.B. wegen der Pandemie, dann hast du monatelang nur den Grundpreis gezahlt.

Dieses Preismodell wurde nun geändert um dich zum sparsamen Verbrauch von Energie anzuregen. Die Großhandelspreise für eine Megawattstunde Strom sind von 17,65 Euro im Jahr 2020 über 58,13 Euro im Jahr 2021 auf 307 Euro im August 2022 angestiegen. Das hängt nicht nur zusammen mit den höheren CO2-Gebühren sowie mit Problemen in der französischen Stromindustrie, die auf Atomkraft basiert, sondern vor allem mit der Energiepreiskrise durch den Krieg in der Ukraine.

Der Grundpreis für Verbraucher soll nur noch 25% der Rechnung betragen, der Verbrauchsanteil hingegen 75%. Wenn du nicht in deiner Ferienwohnung bist, profitierst du also sogar von der neuen Regelung. Damit dein Elektrizitätsversorger im Durchschnitt mindestens so viel einnimmt wie bisher, wird der Verbrauchspreis allerdings teilweise drastisch angehoben – verbilligt sich aber zum Teil auch ebenso drastisch.

Nun kommt dein neuer Spanisch-Wortschatz ins Spiel. Die 24 Stunden eines Tages werden in die drei Zeitzonen hora valle, hora llana und hora punta aufgeteilt. Für jede Zeitzone gilt ein anderer Stromverbrauchspreis.

Hier das Preisschema des Stromversorgers Facua für 2021:

  • Hora valle: 13,49 Cent werktags 0-7 Uhr, Sa, So, Feiertage ganztägig
  • Hora llana: 17,95 Cent werktags 8-9 Uhr, 14-17 Uhr, 22-23 Uhr
  • Hora punta: 30,12 Cent werktags 10-13 Uhr, 18-21 Uhr

Die Stromanbieter können von diesem Zeitschema mit Spezialtarifen abweichen, wenn der Zweck der Verlagerung des Stromverbrauchs in verbrauchsarme Zeiten auch damit erreicht werden kann. Als Beispiel nennen wir hier den Tarif »Tempo happy« des Energieversorgers Endesa. Du kannst dir 2 Stunden pro Tag aussuchen, an denen du gar nichts für deinen Stromverbrauch bezahlst, also Null Euro. Das ist deine »Happy Hour«. Dafür bezahlst du aber in der tempo punta stolze 3,73 Euro pro Kilowattstunde! In der tempo valle immerhin noch 63 Cent und in der übrigen Zeit 25 Cent.

Es wird davon abgeraten, während der hora punta gleichzeitig zu bügeln, den elektrischen Wasserboiler anzuwerfen und die Pizza im Ofen zu backen, während die Klimaanlage für Kühlung sorgt und das Geschirr in der Spülmaschine auf Hochglanz gebracht wird. Während du als Wohnungsbesitzer vermutlich darauf achten wirst, werden sich deine Kurzzeit-Mieter im Urlaub keinen Kopf deswegen machen. Es empfiehlt sich daher, ein Strompreiskontingent im Mietpreis zu vereinbaren und alles, was darüber hinausgeht, über eine Kaution abzudecken.

Insbesondere solltest du nach deiner Ankunft in Spanien Kontakt mit deinem spanischen Stromversorger aufnehmen und klären, welcher Tarif für dich geeignet ist und fragen, auf welchen Tarif sie dich möglicherweise in deiner Abwesenheit bereits umgestellt haben!

Seit September 2021 gibt es einen QR-Code, mit dem der Stromkunde die Tarife mehrerer Anbieter vergleichen kann. Außerdem hat die spanische Regierung eine Awareness Kampagne zu den neuen Tarifen starten.

Der spanische Gaspreisdeckel

Rund 70% der spanischen Haushalte verfügen über ein Heizungssystem. Davon werden 25% mit einem individuellen Gasbrenner für eine einzelne Wohnung befeuert, 7% sind an ein Fernheizsystem oder eine Gebäude-Zentralheizung angeschlossen.

Die spanische Regierung hat 2022 im Zuge der Gaskrise, die durch den Krieg in der Ukraine ausgelöst wurde, einen Gaspreisdeckel für Verbraucher eingeführt. Wer diesen Deckel nutzen will, muss in den staatlichen TUR-Tarif wechseln. Den regulierten spanischen Gastarif gibt es in Spanien bereits seit 2008. Die Regierung gibt alle Vierteljahre vor, welchen Gaspreis die Gaslieferanten pro Kilowattstunde von ihren Kunden im TUR-Tarif verlangen dürfen. Den TUR-Tarif darf nur nutzen, wer pro Jahr weniger als 50.000 Kilowattstunden verbraucht.

Es gibt vier TUR-Tarifstufen:

  • Stufe 1 ist zweckmäßig für Haushalte, die mit Gas nur kochen und duschen. Sie dürfen maximal 5.000 kWh verbrauchen, zu einem Preis von 0,067 Cent pro kWh (im Jahr 2022).
  • Wer die Wohnung mit Erdgas heizt, gehört in Stufe 2.
  • Für größere Häuser sollte man Stufe 3 wählen.
  • Für Eigentümergemeinschaften in Stufe 4 gilt die Begrenzung auf 50.000 kWh nicht.

Der TUR-Tarif war bisher jedoch ohne praktische Bedeutung, da er meist über den Haustarifen der Energiekonzerne lag. Das ist seit dem Krieg in der Ukraine anders. Nur vier Unternehmen dürfen den TUR-Tarif anzubieten: Energía XXI (Endesa), Comercializadora Regulada Gas&Power (Naturgy), Baser (Grupo TotalEnergies) sowie CurEnergía (Iberdrola).

Davon, dass ihre Kunden nun massenhaft in den staatlichen TUR-Tarif wechseln wollen, ist das spanische Gas-Oliopol gar nicht begeistert und erschwert seinen Kunden den Wechsel in den TUR-Tarif nach Kräften. Die Telefon-Hotlines für Wechselwillige sind hoffnungslos überlastet. Viele rufen wochenlang an, ehe sie durchkommen. Dabei heißt es in einem Gesetzentwurf, der im Juni vom spanischen Kabinett verabschiedet wurde, dass Anrufe unter der Service-Nummer eines Unternehmens innerhalb von drei Minuten angenommen werden müssen.

Die Bearbeitung der Anträge kann schon mal 25 Tage dauern. In dieser Zeit können die Kunden schon einige Hundert Euro verloren haben, solange sie im alten Tarif feststecken. Die vier Gaslieferanten behaupten, die Probleme lägen darin, dass die Kunden bei ihren lokalen Gaslieferanten anrufen und nicht bei den vier autorisierten Lieferanten. Außerdem seien sie von dem Ansturm auf ihre Hotlines überrascht worden.

Die Mehrwertsteuer auf Gas und Strom wurde von der Regierung Sánchez bis Ende 2022 auf 5% herabgesetzt. Eine Verlängerung erscheint möglich. Die Mindereinnahmen von zunächst 1,5 Milliarden Euro sollen durch Abschöpfung von Übergewinnen der Firmen gedeckt werden, die übermäßig von der Entwicklung der Energiepreise im Zuge des Krieges in der Ukraine profitieren.

Verfasst am 7. November 2022
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