Federico García Lorca

Der berühmteste und am häufigsten übersetzte andalusische Dichter ist zweifellos Federico García Lorca. Du hast vielleicht schon einmal seinen Namen gehört, aber vermutlich noch nie etwas von ihm gelesen oder im Theater angesehen.
Federico García Lorca
Statue von Federico García Lorca auf dem Plaza de Santa Ana in Madrid ( Christian Mueller / Shutterstock.com )

Federico García Lorca – Biografie, Gedichte, Theaterstücke

Die Auseinandersetzung Lorcas mit den spanischen Traditionen seiner Zeit, durchsetzt mit surrealistischen Elementen, sowie Lorcas Bedeutung für Spanier in unserer Zeit ist für Deutsche schwer zu verstehen. Nicht nur, weil seine Poesie nur unzureichend aus dem Spanischen ins Deutsche übersetzt werden kann, sondern auch, weil wohl nur ein spanischer Muttersprachler die Wortgewalt des Dichters und den kulturellen Hintergrund auch emotional verstehen und würdigen kann.

1898 war mit dem verlorenen Krieg gegen die USA um Kuba das spanische Weltreich zu Ende und eine tiefe Krise der nationalen Identität ergriff Spanien, die 1936 in den Horror des Spanischen Bürgerkriegs mündete. Das viel zu kurze Leben des Federico García Lorca spielte sich genau zwischen diesen beiden Katastrophen ab.

Geboren und aufgewachsen war Lorca 1898 in Fuente Vaqueros in der Nähe von Granada. Sein Vater war ein begüterter Landwirt, seine Mutter eine Dorfschullehrerin, die Federicos Interesse an Musik und Literatur weckte. 1909 zog die Familie in ein schönes Stadthaus in Granada, wo Federico das Gymnasium besuchte. Danach wollte er Musik studieren, wählte aber auf Anraten des Vaters Jura. Philosophie und Literaturwissenschaft an der Universität von Granada. Hier kam er mit andalusischen Dichtern in Kontakt und unternahm Studienreisen mit Martín Domínguez Berrueta, einem Professor für Literatur und Kunst. Lorca las Werke des russischen Anarchisten Kropotkin und des deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche.

Federico García Lorca
Federico García Lorca im Jahr 1914 ( Public Domain )

1918 veröffentlichte Lorca seinen ersten Gedichtband Impresiones y paisajes (Eindrücke und Landschaften). Sein Vater finanzierte ihm den Druck des Erstlingswerks. Lorca war ein Fan von Shakespeare, Goethe sowie des spanischen Dichters Antonio Machado und des nicaraguanischen Schriftstellers Rubén Dario.

1919 wechselte Lorca auf die Universität von Madrid. Dort studierten auch der Maler Salvador Dalí und der spätere Filmemacher Luis Buñuel, zu denen eine enge Freundschaft entstand. 1921 veröffentlichte Lorca einen zweiten Gedichtband und schloss sich der Madrider Theaterszene an. Seine erste Theaterproduktion El maleficio de la mariposa (Die Verhexung des Schmetterlings) handelte von einer Liebesgeschichte zwischen einem Schmetterling und einer Kakerlake, hatte aber beim Publikum keinen Erfolg.

Schlagartig berühmt wurde Lorca 1928 mit dem Gedichtband Romancero Gitano (Zigeuner-Romanzen). Als Homosexueller stand Lorca am Rande der Gesellschaft und fühlte sich zu den Zigeunern (Gitanos) hingezogen, die ebenfalls eine gesellschaftlich geächtete Gruppe waren und von der Guardia Civil drangsaliert wurden.

1929 ging die Freundschaft mit Dalí und Buñuel in die Brüche, die beide nach Paris umzogen. Es gibt Andeutungen, dass Lorcas nur verdeckt gelebte Homosexualität der Grund für das Zerwürfnis mit Dalí gewesen sei. Andere Quellen berichten, Lorca sei entsetzt gewesen über den ersten surrealistischen Film Un chien andalou (Ein andalusischer Hund), den Buñuel und Dalí in Paris gedreht und vorgeführt hatten. Der Film zeigt, wie ein Mann mit einem Rasiermesser durch das Auge einer vor ihm sitzenden Frau schneidet.

Der Bruch mit den Freunden führte bei Lorca zu Depressionen. Daher schickte ihn sein Vater nach New York, wo Lorca im Oktober 1929 den Börsenkrach an der Wallstreet miterlebte, den er in seinem Werk Poeta en Nueva York thematisierte. 1930 reiste Lorca weiter nach Kuba, wo er für seinen Gedichtband Romancero Gitano gefeiert wurde. Seinen Eltern schrieb er: »Vergesst nicht, dass in Amerika ein Dichter mehr ist als ein Fürst in Europa«.

Als Lorca im Juni 1930 nach Granada zurückkehrte, hatte der König abgedankt und war die Republik ausgerufen worden, für deren demokratische Ziele sich Lorca alsbald einsetzte. Die Regierung ernannte ihn zum Direktor des Teatro Universitario La Barraca. Diese studentische Wanderbühne sollte die Kultur zur einfachen Landbevölkerung bringen. Damals waren 50% der Spanier Analphabeten. So brachte Lorca die spanischen Klassiker wie Cervantes oder Lope de Vega auf die Dörfer. 1933 veröffentlichte er sein bekanntestes Theaterstück Bodas de Sangre (Die Bluthochzeit) mit dem er im Madrider Teatro Beatriz großen Erfolg hatte. Von 1933 bis Anfang 1934 bereiste Lorca Argentinien und Uruguay. Im Oktober fand in Buenos Aires die amerikanische Premiere der Bluthochzeit statt. Dort befreundete Lorca sich mit dem chilenischen Dichter Pablo Neruda.

Bei seiner Rückkehr nach Madrid im Januar 1934 fand Lorca eine chaotische politische Lage vor. Die Konservativen hatten die Wahl gewonnen, Linke und Rechte bekämpften sich auf den Straßen. Lorca setzte seine Unterschrift an die Spitze eines Aufrufs für die Rettung der Spanischen Republik und unterzeichnete mehrere antifaschistische Manifeste. 1934 kam Lorcas Theaterstück Yerma auf die Bühne des Madrider Theatro Español. 1935 war Lorca auf dem Höhepunkt seiner Beliebtheit angelangt. Romancero Gitano wurde der meistverkaufte Gedichtband des Jahrhunderts.

Im Sommer 1936 hatte Lorca sein Theaterstück La Casa de Bernarda Alba fertig gestellt und reiste zur Erholung in das Landhaus seiner Eltern. Dort wurde er von dem Putsch des Generals Franco überrascht. Drei Tage nach dem Beginn des Spanischen Bürgerkriegs besetzten die Putschisten Granada. Lorca suchte Schutz im Haus von Freunden in Granada. Obwohl deren Söhne führend in der Franco treuen Falange von Granada tätig waren, konnten sie nicht verhindern, dass Lorca von den Putschisten verhaftet, nach Víznar verschleppt und am 19. August 1936 zusammen mit zwei anderen Republikanern erschossen und am Straßenrand verscharrt wurde.

Wo das Grab liegt, ist bis heute unbekannt. Nach der Hinrichtung rühmte sich einer der Mörder, er habe ihm »zwei Schüsse in den Arsch gegeben, weil er schwul war«. Der Tod des über alle politischen Lager hinaus populären Dichters war dem Franco-Regime allerdings immer peinlich. Es gab zahlreiche Versuche, den Mord als kriegsbedingte »Fehlhandlung« oder gar als Blutrache unter Homosexuellen umzudeuten.

Während der Franco Diktatur war das Werk Lorcas in Spanien geächtet. Die brutale Ermordung Lorcas hat andererseits seine Bekanntheit in der Welt beflügelt und ihm ungerechtfertigt den Ruf angeheftet, der politische Dichter Spaniens schlechthin zu sein. Tatsächlich hat Lorca die Politik immer gemieden. Er hat einmal erklärt: Ich bin revolutionär, weil jeder wirkliche Dichter revolutionär ist. Aber politisch, das werde ich niemals sein! Er hat sich auch geweigert, sich von den Kommunisten politisch vereinnahmen zu lassen.

Lorca nannte Spanien »das Land, das dem Tod geöffnet ist«:
»In allen Ländern ist der Tod ein Ende. Er kommt und die Vorhänge werden zugezogen. In Spanien nicht. In Spanien werden sie aufgezogen. … In Spanien ist ein Toter lebendiger als sonst auf der Welt: sein Profil versehrt wie die Schneide eines Rasiermessers. Der Scherz über den Tod und die schweigende Vertiefung in ihn sind den Spaniern vertraut.«

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Anmerkungen zum Werk von Federico Garcia Lorca

Lorca gehörte in Spanien der Dichtergruppe »Generation von 27« an. Deren weitere Mitglieder sind in Deutschland nahezu unbekannt, daher verzichte ich hier auf weitere Details. Die Gruppe bemühte sich, die spanische Dichtung an die europäische Moderne heranzuführen, wobei Lorca immer wichtig war, die Verbindung zu spanischen Traditionen nicht abreißen zu lassen. Die »Jagd nach der kühnen Metapher« war stilistisches Hauptmerkmal der Dichtergruppe. In Abgrenzung zu früheren Lyrik-Perioden sollte die Metapher nicht als Schmuck, sondern als Substanz der Dichtung verwendet werden. Mit einer Metapher wird der eigentliche Begriff durch einen Begriff aus einem völlig anderen Bedeutungszusammenhang ersetzt, der anschaulicher und sprachlich interessanter klingen soll. Z.B. könnte das Wort Kamel durch den Begriff Wüstenschiff ersetzt werden. Die auffälligste Gemeinsamkeit der Dichter von Generation von 27 ist die freie Versform und der Verzicht auf Reime. Die Gruppe fühlte sich inspiriert von dem Ruhm, den andere spanische Künstler und Geistesgrößen der 20er-Jahre des 20. Jahrhunderts bereits erreicht hatten, wie z.B. Picasso, Miró, Ortega y Gasset oder Manuel de Falla. Zu de Falla hegte er eine tiefe Freundschaft, denn Lorca hatte ja eigentlich Musik studieren wollen. Mit ihm besuchte er oft die Alpujarras südlich von Granada, wo sie Volksweisen studierten.

Lorca wurde beeinflusst von Ramón Gómez de la Serna, der in Spanien als Prophet der Avantgarde gilt. Serna brachte in Spanien die ersten Übersetzungen der Manifeste der Futuristen und DADAisten in Umlauf. Er kreierte den Begriff der Gregueria. Darunter verstand er die Kombination aus Humor plus Metapher. Hier ein Beispiel: »Der Zoo hat etwas von einer Irrenanstalt für Tiere.« Lorca verkörperte das Zentrum dieser Bewegung. Er war nicht der Typ Dichter, der sich mehr als alle anderen in sich zurückzieht, sondern der Typ, der die meisten Verbindungen eingeht.

In einem Vortrag beschrieb Lorca die Triebfeder seiner Dichtung mit Hilfe der Begriffe Muse, Dämon und Engel in der Kunst so: »Engel und Muse kommen von außen; der Engel verleiht Talent, die Muse Form… Den Dämon aber muß man in den letzten hintersten Behausungen des Blutes aufrütteln… ein mentaler Wind, der beharrlich über die Köpfe der Toten bläst – auf der Suche nach neuen Landschaften und unbekannten Akzenten.«

Lorca meinte, die moderne Metapher habe die Fähigkeit, »Sinneseindrücke zu verschmelzen, Ursache und Wirkung zu vertauschen, Reales zu entgrenzen, Gegenstände und unbeseelte Wesen zu personifizieren.« In seinem Gedichtband Romancero gitano hat Lorca diese Art der modernen Metapher ausgelebt. Hier das Beispiel Reyerta (Streit):

»In der Krone eines Ölbaums weinen zwei uralte Frauen,
während dieses Kampfes Stier an den Wänden sich emporbäumt
Schwarze Engel brachten Tücher, Wasser von geschmolznem Schnee –
Engel mit gewalt’gen Flügeln ganz aus Albaceter Messern.«

Durch seine Freundschaft mit Salvador Dalí brachte Lorca auch surrealistische Elemente in seine Dichtung ein, insbesondere in dem erst nach seinem Tode 1940 erschienenen Gedichtband Poeta en Nueva York. Auch hier ein Auszug:

»Auf der Terrasse kämpft’ ich mit dem Monde.
Schwärme von Fenstern durchlöcherten einen Schenkel der Nacht.
Aus meinen Augen tranken des Himmels sanfte Kühe.
Und an des Broadways Fensterscheiben, grau wie Asche,
klopften die Brisen mit sehr langen Schwingen.«

In Lorcas Theaterstücken ging es meist darum, wie der Freiheitswille und die Sehnsucht nach der Moderne von den starren spanischen Traditionen behindert werden. Diese Thematik hat er in der Trilogie trilogía de tragedias rurales, die aus den Theaterstücken Bodas de Sangre, Yerma sowie La Casa de Bernarda Alba besteht, verarbeitet. Immer geht es dabei um eine Frau, welche den Mann heiratet oder heiraten soll, den ihre Eltern für sie ausgesucht haben, und um eine außereheliche Beziehung zu einem Mann, den die Frau wirklich liebt. Am Ende steht dann meist der Tod der Frau oder des Rivalen.

Aus heutiger deutscher Sicht wirkt das eher ein wenig kitschig und weltfremd, hat aber zu Lorcas Zeit das spanische Publikum begeistert, weil es offenbar ihre Lebenswirklichkeit widergespiegelt hat.

1935 schrieb Lorca an seinem letzten Drama, das er Comedia sin título (Komödie ohne Titel) nannte. Das Stück sollte aus drei Akten bestehen, blieb jedoch mit nur einem Akt unvollendet und wurde 1989 erstmals im Teatro Maria Guerrero in Madrid aufgeführt. In diesem Werk vermischte Lorca Darsteller und Publikum. Es ist gleichzeitig Lorcas politischstes Stück, mit Bezügen zu Bertholt Brecht.

In seinen letzten Jahren arbeitete Lorca an dem Gedichtband Diván del Tamarit. Liebe und Tod sind darin die prägenden Themen. Das Werk war gedacht als Hommage an die arabischen Traditionen Andalusiens. Wegen des Beginns des Spanischen Bürgerkriegs kam es nicht mehr zur Veröffentlichung. Lorcas Schwester Concha rettete das Manuskript. Sein ins Exil gegangener Bruder Francisco García Lorca veröffentlichte das Werk 1940 in New York.

Hier das Beispiel »Die überraschende Liebe« (Gacela del amor imprevisto) aus dem Gedichtband Diván del Tamarit:

Niemand begriff den dunklen Magnolienduft deines Bauches.
Niemand wußte, daß du zwischen den Zähnen einen Kolibri der Liebe zu Tode quältest.
Tausend persische Pferdchen schliefen auf dem Platz im Mondlicht deiner Stirn,
während ich vier Nächte lang deine Taille, Feindin des Schnees, umschlungen hielt.

Zwischen Gips und Jasmin war dein Blick ein blasser Zweig mit Samen.
Ich suchte, als Gabe für dich, in meiner Brust die Elfenbeinbuchstaben, die ewig, ewig,
ewig bedeuten: Garten meiner Qual,

dein Körper für immer flüchtig, das Blut aus deinen Adern in meinem Mund,
dein Mund schon lichtlos zu meinem Tode.

1934 floh der jüdische Werbefachmann Heinrich Enrique Beck vor den Nazis nach Spanien. Dort lernte er Lorca kennen und es gelang Beck, mit Hilfe eines Schweizer Rechtsanwalts, die deutschen Übersetzungsrechte für Lorcas Gesamtwerk zu erwerben. Beck war kein begnadeter Übersetzer, aber in Deutschland setzten seine Erben durch, dass nur Becks Übersetzungen erscheinen durften, bis der Suhrkamp Verlag dem durch Gerichtsurteil ein Ende setzte, so dass ab etwa dem Jahr 1996 professionellere Übersetzungen erscheinen konnten. Wenn du also ein übersetztes Werk Lorcas lesen möchtest, dann schau zuerst nach, wer es übersetzt hat.

Literatur auf Deutsch (Auszüge):

Weitere Literatur von Federico García Lorca.

Seine Gedichte auf Englisch.

Lorcas letzte Lebensjahre wurden 1997 unter dem Titel »Lorca - Mord an der Freiheit« mit Andy Garcia in der Titelrolle verfilmt.

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