Die Ergebnisse der Wahlen vom 28. April 2019 zum Zentralparlament in Madrid

Durch ein konstruktives Misstrauensvotum war Pedro Sánchez, der Parteiführer der sozialistischen PSOE Mitte 2018 überraschend spanischer Ministerpräsident geworden. Allerdings musste er eine Minderheitsregierung führen, die bald die Unterstützung der katalanischen und baskischen Regionalparteien verlor. Da Sánchez für seinen Haushalt im Parlament keine Mehrheit bekam, musste er für den 28. April 2019 Neuwahlen anordnen.

Ergebnis der Parlamentswahl vom 28. April 2019

Um in Madrid eine Regierung bilden zu können, sind 176 Abgeordnetensitze im spanischen Parlament, der Cortes Generales erforderlich.

ParteiStimmen in %Sitze
PSOE28,68123
PP16,7066
Ciudadanos15,8657
U-Podemos11,9535
VOX10,2624
ERC3,8915
ECP Guanyem El Canvi2,367
JxCat1,917
PNV1,516
EH-Bildu0,994
CCa PNC0,532
NA+0,412
Compromis 20190,661
PRC0,201
Gesamt 350

Die Wahlbeteiligung war mit 75,75% diesmal besonders hoch. Zur Wahl angetreten waren 66 Parteien und Wahlbündnisse, von denen es 14 schafften, mindestens einen Abgeordneten in die Cortes zu entsenden.

Die sozialistische PSOE von Ministerpräsident Pedro Sánchez wurde in fast allen Regionen stärkste Partei und gewann 38 Sitze hinzu. Der PP liegt nur in drei Regionen im Nordwesten vorne. Im Vergleich zur Wahl von 2016 verlor der PP 71 Sitze. Ciudadanos legten um 25 Sitze zu. Die ultrarechte VOX zog erstmals mit 24 Abgeordneten in die Cortes ein. Der Rechtsruck innerhalb des PP unter Pablo Casado hat sich also für die PP nicht ausgezahlt.

Ausgerechnet in Benahavís, der reichsten Gemeinde in der Provinz Málaga, wurde VOX mit 364 Stimmen die stärkste Kraft, noch vor dem PP mit 365 Stimmen. Von den 7348 Einwohnern sind 5.000 Ausländer. Würden die spanischen Wahlberechtigten bei der nächsten Gemeindewahl genauso abstimmen, könnte in Benahavís gegen VOX niemand regieren. Wie würden sich die 5.000 meist sehr wohlhabenden Ausländer wohl mit einem rechtsradikalen Bürgermeister fühlen?

Das spanische Wahlsystem erlaubt, dass sich selbständige Parteien zu Wahlbündnissen zusammenschließen. So haben auch Regionalparteien und Splittergruppen eine Chance, Abgeordnete in die Cortes zu entsenden.

Das Wahlergebnis vom 28. April dürfte auch Auswirkungen auf die vier Wochen später stattfindenden Europawahlen haben.

Insgesamt hat weder das linke noch das rechte Lager eine Mehrheit in der Cortes. Noch mehr als bisher kommt es daher im neuen spanischen Parlament auf das Abstimmungsverhalten der kleinen Parteien an. Damit du verstehst, mit wem wir es im neuen Parlament zu tun haben, folgt hier eine kurze Gegenüberstellung aller Parteien, die am 28. April Abgeordnete in das Parlament entsenden konnten:

PSOE (Partido Socialista Obrearo Español): ist die sozialistische Partei Spaniens, Sie wurde 1879 gegründet und ist somit die älteste Partei Spaniens. Nach dem Tod des Diktators Franco wechselte sich die PSOE mit dem Partido Popular in der Regierung Spaniens ab, bis das Aufkommen neuer Protestparteien ab 2014 absolute Mehrheiten für jede der beiden großen Volksparteien obsolet machte. Generalsekretär ist Pedro Sánchez.

Webseite: www.psoe.es

Im Europaparlament gehört die PSOE zur Fraktion der S&D (Progressive Allianz der Sozialdemokraten), der auch die deutsche SPD angehört .

PP (Partido Popular): (Volkspartei) ist die führende konservative und christdemokratische Partei in Spanien. Sie ging 1989 aus der Alianza Popular hervor. Die Alianza Popular war nach dem Tod Francos 1976 vom ersten spanischen Innenminister unter König Juan Carlos I, Manauel Fraga Iribarne als demokratische Sammelbecken für die Anhänger von General Franco gegründet worden. Der PP wechselte sich mit der PSOE regelmäßig in der Regierung ab.

Der »Gürtel«-Korruptionsskandal führte schließlich 2018 zur Abwahl des konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy und zum Austritt von PP Politikern, denen die Korruption zu weit ging und die der katalanischen Partei Ciudadanos beitraten. Rajoy half auch nicht, dass er mit aller Härte gegen die katalanischen Separatisten vorging. Vielmehr wurde ihm von Mitgliedern der eigenen Partei bereits bei der Befriedung des Konflikts mit den Basken eine zu lasche Haltung vorgeworfen, was zum Austritt rechtskonservativer Politiker führte, welche die neue rechtsnationalistische Partei VOX gründeten. Parteiführer des PP ist jetzt Pablo Casado.

Webseite: www.pp.es

Auch eine kleine Unregelmäßigkeit bei der Wahl am 28. April brachte dem PP kein Glück: Eine Nonne, die in Bilbao in einem Altersheim arbeitete, begleitete zwei gebrechliche Heiminsassen zum Wahllokal. Der eine Schutzbefohlene hatte bereits auf seinem Wahlzettel die PSOE angekreuzt, der andere die baskische PNV. Die Nonne wurde auf frischer Tat ertappt, als sie die beiden ausgefüllten Wahlzettel gegen Wahlzettel mit Stimmen für den PP austauschte und in den Wahlumschlag steckte. Die Schwester erwartet nun eine Gefängnisstrafe zwischen sechs Monaten und drei Jahren. Dabei hätten die beiden gefälschten PP Stimmen auch nicht verhindert, dass der PP erstmals seit der Demokratisierung nach Franco keinen einzigen Sitz im Baskenland ergatterte.

Im EU-Parlament gehört der PP zur Fraktion der EVP (Europäische Volkspartei), in der auch die deutschen Parteien CDU und CSU Mitglied sind.

Ciudadanos (Ciudadanos Partido Ciudadania): (Partei der Bürgerschaft) wurde 2006 in Barcelona als Regionalpartei gegründet, die sich gegen die versuchte Abspaltung Kataloniens vom Königreich Spanien wandte. 2015 breitete sich die Partei auf ganz Spanien aus und erhielt Zulauf von liberalen Politikern des PP, denen der PP zu reaktionär und zu korrupt geworden war. Parteivorsitzender ist Alberto Rivera.

Webseite: www.ciudadanos-cs.org

Im EU Parlament gehört Ciudadanos zur Fraktion ALDE (Allianz der Liberalen Demokraten für Europa), in der auch die deutsche FDP Mitglied ist.

UI-Podemos: ist ein Wahlbündnis der linkspopulistischen Partei Podemos mit linken Splitterparteien. Die Gründung von Podemos im Jahr 2014 ist eine Antwort auf die Verstrickung der sozialistischen PSOE in die Korruption, namentlich in den ERE Korruptionsskandal, der Andalusien erschütterte. Parteivorsitzender von Podemos ist Julio Iglesias Turrión.

Webseite: www.podemos.info

Podemos gehört im EU Parlament zu GUE/NGL (Konföderale Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke), bei der auch die deutsche Partei Die Linke Mitglied ist.

VOX: (Die Stimme) ist eine rechtsnationalistische Abspaltung der konservativen PP und wurde 2013 gegründet. VOX kämpft für einen stärkeren Zentralstaat und will die Autonomie der Gebietskörperschaften zurück stutzen. Die Partei ist feministen- und schwulenfeindlich und möchte eine zweite Reconquista gegen den Einfluss des Islam in Spanien starten. In den spanischen Enklaven in Marokko soll eine Mauer gebaut werden um die Migranten aus Afrika von Spanien fernzuhalten.

Die Partei wird von Steve Bannon beraten, dem ultrarechten Agitator aus den USA und früheren Berater von Donald Trump. Den Wahlkampf von VOX zur Europawahl 2014 bezahlte zu 80% die iranische Migrantenorganisation »Nationaler Widerstandsrat des Iran«. Parteiführer von VOX ist Santiago Abascal Conde.

Webseite: www.voxespana.es

VOX ist noch nicht im Europa Parlament vertreten, wird aber vermutlich nach einem Erfolg bei der Europawahl der rechtspopulistischen »Europäischen Allianz der Völker und Nationen« beitreten, die AfD, FPÖ und Lega Nord nach der Europawahl gründen wollen.

ERC-Sobiranistes (Esquerra Republicana de Catalunya): (Linke Partei der katalanischen Republik). Sie wurde 1931 gegründet und kämpft für die Unabhängigkeit Kataloniens. Die Partei ermöglichte zunächst das erfolgreiche konstruktive Misstrauensvotum gegen den konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy. Als aber erkennbar wurde, dass sich der neue sozialistische Ministerpräsident Pedro Sánchez gegen einen Austritt Kataloniens aus dem Königreich Spanien stellte und sich nicht für eine Freilassung der verhafteten katalanischen Separatistenpolitiker einsetzen würde, entzog die ERC ihm die Unterstützung im Parlament in Madrid. Parteivorsitzender der ERC ist Orid Junqueras, der im Gefängnis auf seinen Prozess wartet.

Die ERC wurde Wahlsieger in Katalonien, mit Ausnahme der Region Bardelona, in der die PSOE vorne liegt.

Webseite www.esquerra.cat

Im EU Parlament gehört die ERC zur Fraktion Grüne/EFA (Die Grünen/Europäische Freie Allianz), bei der auch die deutschen Grünen Mitglied sind.

ECP (En Comu Podem Guanyem El Canvi): ist ein linkes Wahlbündnis unter Führung von Podemos in Katalonien, welches 2015 gegründet wurde. Chef des Wahlbündnisses ist Xavier Doménech.

Webseite: www.encomupodem.cat

JxCat (Junts por Catalunya): (Gemeinsam für Katalonien), liberale katalonische Separatisten-Partei. Parteivorsitzender ist Carles Puigdemont, der von der spanischen Zentralregierung abgesetzte katalanische Präsident. Während seiner Abwesenheit in Belgien führt die Partei Jordi Sánchez.

Webseite: www.juntspercatalunya.cat

PNV (Eusko Alderdi Jeltzalea – Partido Nationalista Vasco): (Baskische Nationalpartei). Sie wurde bereits 1895 gegründet, ihr Ziel ist ein eigenständiges Baskenland. Parteivorsitzender ist Aitor Esteban. Die PNV wurde Wahlsieger im Baskenland.

Webseite: www.eaj-pnv.eus

Auf EU Ebene gehört die PNV zur Europäischen Demokratischen Partei.

EH-Bildu (Euskal Herria Bildu): (Versammeltes Baskenland) ist ein Wahlbündnis linker baskischer Regionalparteien, die sich von der PNV abgespalten hatten. Das Bündnis wurde 2011 gegründet. Generalsekretär des Wahlbündnisses ist Arnaldo Ortegi. Die in dem Bündnis versammelten baskischen Parteien spielten im jahrzehntelangen bewaffneten Unabhängigkeitskampf eine Rolle und waren daher auch nach der Absage der ETA an die Gewalt in Spanien teilweise verboten.

Webseite: www.ehbildu.eus

Im EU-Parlament gehört EH-Bildu wie Podemos zur Fraktion GUE/NGL (Konföderale Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke)

CC PNC (Coalición Canaria): ist eine Koalition von nationalistischen Regionalparteien auf den Kanarischen Inseln. Das der politischen Mitte zugerechnete Wahlbündnis wurde 1993 gegründet. Chefin des Wahlbündnisses ist Ana Oramas.

Webseite: www.coalicioncanaria.org

Auf EU Ebene gehört die CC wie die baskische PNV zur EDP (Europäische Demokratische Partei)

NA+ (Navarra Suma): Liberal-konservatives Wahlbündnis von Regionalparteien in der Region Navarra zusammen mit Ciudadanos, welches im März 2019 gegründet wurde. NA+ wurde Wahlsieger in Navarra.

Compromis 2019: Wahlbündnis aus den drei linken Regionalparteien Bloc Nacionalista Valencià (BLOC), Iniciativa del Poble Valencià (IdPV) und Verds Equo del País Valencià (VerdsEquo) in der Region Valencia. Chef des Wahlbündnisses ist Joan Baldovi.

Webseite: imparables.compromis.net

Im EU-Parlament gehört der BLOC der Europäischen Freien Allianz an, während VerdsEco Mitglied von Grüne/EFA ist.

PRC (Partido Regionalista de Cantabria): ist eine 1978 gegründete Regionalpartei der Region Kantabrien. Generalsekretär ist Miguel Ángel Revilla.

Webseite: www.prc.es

Das Ergebnis der Wahlen zum Senat

Gleichzeitig mit der Wahl zum Abgeordnetenhaus wurden am 28. April auch 208 der 266 Mitglieder des Senats neu gewählt. Hier konnte die PSOE eine absolute Mehrheit erringen, während der PP 50% seiner Senatssitze einbüßte. Der Senat hat allerdings keinen Einfluss auf die Regierungsbildung der Zentralregierung und auf die zentrale Gesetzgebung, es sei denn, es wären Belange der Autonomen Gemeinschaften berührt oder wenn die Verfassung geändert werden soll.

Für den Senat werden in jeder der 47 Provinzen auf dem Festland vier Senatoren, auf den Inseln Gran Canaria, Mallorca und Teneriffa je drei Senatoren, in den Enklaven Ceuta und Melilla je zwei Senatoren sowie auf den Inseln bzw. Inselgruppen Ibiza-Formentera, Menorca, La Palma, Lanzarote, Fuerteventura, Hierro, Gomera je ein Senator vom Volk direkt gewählt. Zum Senat werden Personen gewählt, nicht Parteien. Jeder Wähler kann in den Viermann-Wahlkreisen bis zu drei, in den Drei- und Zweimann-Wahlkreisen bis zu zwei Kandidaten auswählen. Dabei kann er seine Stimme auch auf Kandidaten unterschiedlicher Parteien verteilen (Panaschieren).

Die restlichen 58 Senatsmitglieder wurden bereits durch die Parlamente der Autonomen Gemeinschaften bestimmt, wobei jedes Parlament je angefangener einer Million Einwohner der jeweiligen Gemeinschaft Anspruch auf einen Senatorenposten hat. So entsandte z.B. das andalusische Parlament im Februar 2019 neun Senatoren (für 8,4 Mio Einwohner) in den Senat in Madrid, Gemäß dem Ergebnis der Wahlen zum andalusischen Parlament im Dezember 2018, gehören davon 3 Senatoren zur PSOE, je 2 zum PP und den Ciudadanos, je 1 zu UI-Podemos und VOX; während weitere 32 Senatoren in den acht andalusischen Provinzen (Almería, Cádiz, Córdoba, Granada, Huelva, Jaén, Málaga, Sevilla) am 28. April direkt vom Volk gewählt wurden.

So setzt sich der neue Senat zusammen:

ParteiDirektwahlIndirektGesamt
PSOE12118139
PP561975
ERC11213
EAJ-PNV9110
Ciudadanos4610
Unidas-Podemos066
JuntsxCat224
Navarra Suma303
CC-PNC112
EH-Bildu112
VOX011
 20857265

Von Wolfgang Zöllner

Verfasst am 29. April 2019
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