Ist Spanien vom Strache-Skandal betroffen?

Bereits drei Tage, nachdem deutsche Investigativ-Journalisten das Video öffentlich gemacht haben, in dem der (inzwischen ehemalige) österreichische Vizekanzler und Vorsitzende der rechtspopulistischen Partei ÖVP Heinz-Christian Strache dabei beobachtet wird, wie er bereitwillig Korruptionsangebote einer vermeintlichen russischen Oligarchin akzeptiert, fragen sich österreichische und deutsche Medien, welche juristischen Konsequenzen die Falle haben wird, in die Herr Strache getappt ist und welches Land überhaupt für ein Gerichtsverfahren zuständig sein wird.

Die Opfer der Ausspähung sind Österreicher, die Täter vermutlich Ausländer, die Tat selbst hat in Spanien stattgefunden. Das Video wurde deutschen Journalisten zugesteckt, die es in Deutschland veröffentlicht haben die und möglicherweise die Hintermänner kennen.

Immerhin hat sich der Fall 2017 in einem privaten Ferienhaus auf Ibiza zugetragen. Also liegt die Vermutung nahe, dass sich ein spanisches Gericht mit der Frage befassen muss, ob nach spanischem Recht ein strafwürdiges Vergehen gegen die Unverletzlichkeit der Wohnung stattgefunden hat und wie das Ausspähen mit einer versteckten Kamera juristisch zu beurteilen ist.

Unabhängig von der Frage, ob man die Täter je finden wird, handelt es sich vermutlich um Ausländer, welche die Falle gestellt haben, denn es erscheint unwahrscheinlich, dass ausgerechnet ein Spanier ein Interesse daran gehabt haben soll, Herrn Strache hochgehen zu lassen.

Weil also vermutlich Ausländer ein Verbrechen an anderen Ausländern begangen haben, wäre auch noch zu prüfen, ob das die spanische Justiz überhaupt etwas angeht. Möglicherweise muss auch noch geklärt werden, ob der Eigentümer der Villa irgendwie in den Fall verstrickt ist und ob es sich dabei um einen Spanier handelt.

Die Frage, ob das unrechtmäßig erzeugte Video überhaupt in die Öffentlichkeit gelangen durfte, werden wohl eher deutsche Gerichte zu prüfen haben, während österreichische Gerichte sich die Täter wegen der kriminellen Beeinflussung von Politikern vorknöpfen werden, falls sie derer überhaupt habhaft werden. Wobei sie vermutlich straffrei ausgehen, weil ja tatsächlich kein Geld geflossen ist.

Die spanischen Medien haben sofort ausführlich über die Strache-Affäre berichtet. Allerdings fehlt in der spanischen Berichterstattung jede Andeutung, dass Spanien juristisch auf irgendeine Weise in den Fall involviert sein könnte.

Was aber, wenn das doch passiert?

Artikel 18 der spanischen Verfassung regelt: »Jeder hat das Recht auf Ehre, auf die persönliche und familiäre Intimsphäre und das Recht auf das eigene Bild.« Nach der Rechtsprechung des spanischen Verfassungsgerichts gilt Artikel 18 auch für Zweit- und Ferienwohnungen. Schaut man sich die Ausführungsbestimmungen und Gerichtsurteile zu Art. 18 an, dann werden dort alle möglichen Fälle abgehandelt, bei denen staatliche Institutionen in die Privatsphäre eindringen.

Vom 25. Februar 2019 gibt es glücklicherweise ein Urteil des spanischen Verfassungsgerichts zu einem Fall, der sich 2010 ebenfalls auf den Balearen abgespielt hat: Ein Fernsehteam war in das Haus eines umstrittenen Heilers eingedrungen, hatte ihn mit versteckter Kamera bei der Arbeit gefilmt und den Film im Fernsehen ausgestrahlt um dem Mann das Handwerk zu legen.

Auf Weisung des Verfassungsgerichts verurteilte das zuständige Gericht den Fernsehsender Antena 3 zu einem Schmerzensgeld von 92.000 Euro an den Heiler. Auch wenn die Methoden des Heilers zu beanstanden seien, rechtfertigten sie nicht diese Art der Recherche. Die Journalisten hätten auch mit legalen Methoden an ihre Informationen gelangen können, z.B. indem sie den Heiler befragt hätten. Ein Eindringen in die Privatsphäre mit versteckter Kamera komme nur in ganz extremen Fällen in Frage.

Die spannende Frage wird also sein, ob das spanische Gericht die zu vermutende Korrumpierbarkeit von Strache als so schwerwiegend einstuft, dass die Verletzung seiner Privatsphäre gerechtfertigt war, weil die Information anders nicht zu erlangen war.

In Spanien hat der Geschädigte übrigens nach dem Código Civil nur einen zivilrechtlichen Anspruch auf Schadenersatz, den er selbst einklagen muss. In Deutschland hingegen ist die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes und die Veröffentlichung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes nach §201 Strafgesetzbuch eine Straftat, die mit bis zu drei Jahren Haft oder Geldstrafe geahndet wird und daher von einem Staatsanwalt aktiv zu ermitteln ist, sobald sie der Polizei bekannt wird. Allerdings ist das Veröffentlichen dann keine Straftat, »wenn die öffentliche Mitteilung zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen gemacht wird«.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits am 25.1.1984 in seinem »Wallraff-Urteil« festgestellt, dass die durch Täuschung beschaffte Informationsgewinnung dann rechtmäßig ist, »wenn die Bedeutung der Informationen für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung einseitig die Nachteile überwiegt, welche der Rechtsbruch für den Betroffenen und für die Rechtsordnung nach sich ziehen«.

Damals hatte der Springer Verlag gegen den Enthüllungsjournalisten Günter Wallraff geklagt, der sich 1977 in eine Redaktionskonferenz der Bildzeitung eingeschlichen und das dort Gehörte in seinem Buch »Der Aufmacher – Der Mann, der bei 'Bild' Hans Esser war« veröffentlicht hatte.

Verfasst am 21. Mai 2019
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