Warum mañana nicht morgen bedeutet

So manches kommt uns buchstäblich “spanisch” vor. Welche kulturell bedingten Schwierigkeiten und Missverständnisse zwischen Spaniern und Deutschen an der Tagesordnung sind und auf was sie beruhen, soll hier Thema sein.
manana spanisch
Essen gehen gehört fest zur spanischen Lebensweise ( © DW )

Die eigene Kultur immer im Gepäck

Wer hat nicht schon einmal vom Leben unter südlicher Sonne geträumt, von einem unbeschwerten Alltag in entspannter Atmosphäre, umgeben von freundlichen, lebensfrohen Menschen…
Doch einmal im Land der Träume angekommen, stellen wir fest, dass wir viele Dinge des alltäglichen Lebens ganz anders wahrnehmen und einschätzen als die Spanier.

Jeder, der in ein fremdes Land reist oder dorthin auswandert, trägt einen unsichtbaren Rucksack mit sich herum. Er ist angefüllt mit Träumen und Erwartungen, aber auch mit der eigenen Kultur, die fester Bestandteil unserer Identität ist. Kultur ist ein System gemeinsamer Werte und Ideen, ein erlerntes Konzept zu denken, zu fühlen und zu handeln. Da dieses Wertesystem in jedem Land anders ist, werden Verhalten und Handlungen zwangsläufig unterschiedlich interpretiert. Das Karussell der gegenseitigen Vorurteile kann sich munter zu drehen beginnen. Hier haben wir die unzuverlässigen und faulen Spanier, dort mutieren Deutsche zu sturen, kleinlichen Besserwissern. Schade nur, dass Stereotypen keinen Zentimeter weiterbringen...

Spanische Uhren ticken anders

Wie herrlich unbeschwert, lebensfroh und unbekümmert diese Spanier sind! Doch das hat nicht nur mit dem viel bemühten Klima zu tun, sondern auch mit einer ganz unterschiedlichen Wahrnehmung von Zeit. Doch was heißt das eigentlich?

Spanier leben viel mehr den Moment und grübeln wenig über Vergangenheit und Zukunft nach. Das ist eher das Terrain, auf dem wir Deutsche uns bestens auskennen und zuhause fühlen. Diese Hinwendung zum bereits Vergangenen und dem, was noch kommen mag, verstellt uns oft den Blick auf das Hier und Jetzt. Nicht umsonst ist die Unbeschwertheit und Lebensfreude der Spanier Gegenstand unserer Träume und Sehnsüchte und meist einer der Gründe für die Auswanderung. Leider übersehen wir dabei ganz die negative Kehrseite des in der Gegenwart lebens, das Fehlen von Planung. So wundern wir uns darüber, dass im spanischen Alltag oft Planlosigkeit herrscht und nichts so richtig funktioniert. Hier gilt wie so oft im Leben: Man kann nicht alles haben.

Also nicht unbedingt darauf bauen, dass der Klempner tatsächlich wie vereinbart morgen vor der Tür steht, denn mañana kann irgendwann, vielleicht, gar nicht oder tatsächlich auch morgen bedeuten.

Kein Gespräch ohne Vorgeplänkel

Ein weiterer Stolperstein in der Kommunikation mit Spaniern ist eine ganz unterschiedliche Art sich mitzuteilen. Spanier sind wahre Meister darin, durch die Blume zu sprechen. Ein Spanier ergeht sich in Andeutungen, wird aber selten etwas geradeheraus kommunizieren, besonders dann nicht, wenn er eine Bitte abschlagen oder etwas Negatives sagen muss. Folgerichtig wird die direkte Art der Deutschen als unhöflich, ja unerzogen empfunden. Spanier reagieren meist irritiert bis unangenehm berührt auf so viel Unverfrorenheit. Will man mit Spaniern etwas Konkretes besprechen, so gilt außerdem die Grundregel “Smalltalk first”. Bevor man zur Sache kommt, heißt es, sich geduldig anzuhören wie es der Oma geht, wie die Kommunion des Patenkindes verlief oder dass der neue Traktor repariert werden musste. Man tut gut daran, sich tunlichst selbst in Konversation über vermeintlich Unwichtiges zu üben, wenn man zum Ziel gelangen möchte. Dieser Prolog ist selbst bei Geschäftsterminen unabdingbar, wenn man nicht als ungehobelt durchgehen will.

Allzeit bereit zur spontanen Hilfe

Wer in Spanien auf die Hilfe anderer angewiesen ist, hat gute Karten, denn Hilfsbereitschaft wird hier wirklich groß geschrieben. Wer nachts mit einer Panne auf einsamer Landstraße liegen bleibt, kann damit rechnen, dass bereits das erste Auto unaufgefordert anhält. Wird man auf der Straße ohnmächtig, sieht man sich sofort von einer besorgten Menschenmenge umringt und auch die berühmte Tasse Zucker kann problemlos vom Nachbarn erbeten werden. Meist tritt man den Rückweg sogar beladen mit weiteren Dingen an, die gar nicht auf der Wunschliste standen.

Spanier sind immer in Kontakt

Privatsphäre und Spanien sind Dinge, die nicht zueinander zu passen scheinen. Zumindest werden Nähe und Distanz dort ganz anders definiert. So sieht man sich in der Schlange der Supermarktkasse bisweilen zwischen Vorder- und Hintermann eingezwängt wie in einer Sardinenbüchse. In der spanischen Kultur ist Körperkontakt durchweg positiv besetzt, das spiegelt sich bereits in der Form der Begrüßung wieder. Spanische Kinder wachsen damit auf, von aller Welt nach Herzenslust gedrückt zu werden und haben daher auch im Erwachsenenalter keinerlei Probleme damit. Nur so ist zu erklären, dass Spanier an einem leeren Strand freudig ihr Handtuch direkt neben uns ausbreiten...

Apropos Nähe, kaum ein Spanier fühlt sich nicht zutiefst mit seiner Familie verbunden. Dieses bedingungslose Zusammengehörigkeitsgefühl, das uns in Mitteleuropa etwas abhanden gekommen ist, hat durchaus seine Berechtigung. Von uns Deutschen zuweilen als Unselbstständigkeit belächelt, ist es doch Ausdruck eines Lebensgefühls, das das Individuum in eine Solidargemeinschaft einbindet.

Wie man sieht, liegt die Entscheidung, ob etwas positiv oder negativ zu bewerten ist, meist im Auge des Betrachters. Und überhaupt, muss man alles unbedingt bewerten?
Ein bisschen Respekt und Toleranz kann auf jeden Fall nie schaden.

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