Die Ergebnisse der Wahlen vom 26. Juni 2016 zum Zentralparlament in Madrid

Das Auftauchen der neuen Parteien Podemos und Ciudadanos hat nicht nur in Andalusien das Regieren schwieriger gemacht, sondern auch im gesamten spanischen Königreich. Die Wahlen zum spanischen Zentralparlament im Dezember 2015 ergaben für keine Partei eine absolute Mehrheit. Und keine der vier großen Parteien wollte mit einer anderen eine Koalitionsregierung eingehen. Eine linke Mehrheit aus PSOE und Podemos plus einiger Splitterparteien wäre rechnerisch möglich gewesen, scheiterte aber daran, dass Podemos darauf bestand, dass diese Regierung das Unabhänigkeitsbegehren Kataloniens unterstützen müsse. Eine große Koalition aus PP und PSOE kam nicht zustande, weil die PSOE verlangte, dass dieser Regierung nicht der bisherige PP Ministerpräsident Rajoy angehören dürfe.

Daher musste die Wahl am 26. Juni 2016 wiederholt werden – zwei Tage, nachdem in Großbritannien der knappe Sieg der EU-Gegner in der Volksabstimmung zum sog. Brexit – dem Austritt Großbritanniens aus der EU – verkündet wurde. Dabei hatte es den Einwohnern von Gibraltar nichts genützt, dass sie sich mit 96% der abgegebenen Stimmen für ein Verbleiben Großbritanniens in der EU ausgesprochen hatten.

Das Ergebnis der Parlamentswahl vom 26. Juni ist praktisch identisch mit dem Wahlergebnis vom Dezember 2015, ebenso wie die Wahlbeteiligung von 69%. Podemos hatte sich kurz vor der Wahl mit der kommunistischen UI zur Unidos Podemos vereinigt. Das hat ihr aber keinen Stimmenzuwachs beschert. Unidos Podemos bleibt weiterhin nur die dritte politische Kraft im Parlament. Ciudadanos verloren deutlich, die PP legte etwas zu, ist aber immer noch von der absoluten Mehrheit weit entfernt. Podemos und Ciudadanos sind offenbar keine vorübergehende Mode-Erscheinung, sondern bleiben der spanischen Politik wohl dauerhaft erhalten.

Ergebnis der Parlamentswahl vom 26.Juni 2016

Um in Madrid eine Regierung bilden zu können, sind 176 Abgeordnetensitze erforderlich.

Partei / SitzeSpanienAndalusien
PP13723
PSOE8520
U-Podemos7111
Ciudadanos327
Sonstige25 
 350 

Die PP wurde in fast allen Regionen stärkste Partei. Nur im Baskenland und in Katalonien lagen Unidos-Podemos vorne sowie in drei Provinzen Andalusiens die Sozialisten.

Als die Blockade im Parlament auch im Oktober 2016 noch andauerte, drohte König Felipe mit einem dritten Wahlgang im Dezember. Diese Drohung begriff eine Mehrheit im Führungskreis der PSOE als Weckruf, denn sie fürchtete zu Recht, dass ein dritter Wahlgang vor allem zu Lasten der Parlamentssitze der PSOE gehen würde. Gerade hatte nämlich die PSOE bei Regionalwahlen in Galizien und im Baskenland ein desaströses Ereignis eingefahren. PSOE Generalsekretär Pedro Sanchez, der bis dahin eisern an der Ablehnung einer großen Koalition mit der PP unter Mariano Rajoy festgehalten hatte, wurde im Parteipräsidium überstimmt und trat daraufhin von seinem Amt zurück. Als sich Rajoy im spanischen Parlament Anfang November erneut als Ministerpräsident zur Wahl stellte, wurde er im dritten Wahlgang mit einer relativen Stimmenmehrheit gewählt, weil sich die Abgeordneten der PSOE der Stimme enthielten.

Spanien hat nun zwar wieder eine rechtmäßige Regierung, die Probleme des politischen Patts sind damit aber keinesfalls gelöst. Die Basis der PSOE lehnt nämlich eine Unterstützung der Regierung Rajoy weiterhin ab. Dass sich die Mehrheit des Präsidiums darüber hinweg gesetzt hat, kann die Partei zerreißen und in die Bedeutungslosigkeit abstürzen lassen. Die politisch unerfahrene linke Protestpartei Podemos würde dann zur stärksten Kraft im linken Lager.

Aber auch Rajoy ist noch nicht aus dem Schneider. Er kann zwar jetzt Minister ernennen, aber ohne Mehrheit im Parlament wird er keinen Haushalt durchbringen. Ohne gültigen Haushalt kann er den autonomen Regionen keine Verschuldungsgrenzen vorschreiben, so dass das spanische Haushaltsdefizit eher noch wachsen dürfte. Damit droht dem Land eine Geldstrafe von der EU Kommission über 3 Milliarden Euro, weil das Land die Verschuldensgrenze von 3% des BIP nicht eingehalten hat und auch 2016 deutlich überschreiten wird.

Spötter behaupten bereits, dass es der spanischen Wirtschaft wesentlich besser ging, seit Spanien nicht mehr über eine handlungsfähige Zentralregierung verfügte. Dass der spanische Inhaber der Modekette Zara jetzt der reichste Mann der Welt ist, scheint ein sichtbarer Beleg für diese Behauptung zu sein. Die Kehrseite der Medaille dürfte darstellen, dass das Land seither auch keine belastbaren Wirtschafts- und Finanzdaten mehr publiziert hat.

Als Ministerpräsident einer Minderheitsregierung muss Rajoy nun mit der neuen britischen Premierministerin Theresa May über die Zukunft Gibraltars verhandeln. Sofort nachdem das Ergebnis der Brexit Volksabstimmung in Großbritannien feststand, hatte der amtierende spanische Außenminister José Manuel Garcia Magallo (PP) verlangt, dass Großbritannien in eine gemeinsame Verwaltung Gibraltars einwilligen und das Hissen der spanischen Flagge auf dem Felsen von Gibraltar dulden müsse. Für eine Übergangszeit sollten die Gibraltarer weiterhin britische Staatsbürger sein dürfen und eigene Steuergesetze haben. Letztlich müsse das Ganze aber dazu führen, dass Gibraltar völlig in Spanien eingegliedert werde.

Der am 26. Juni noch amtierende britische Ministerpräsident Cameron hat diese Entwicklung wohl vorausgeahnt und daher das britische Atom U-Boot AMS Ambush nach Gibraltar in Marsch gesetzt, welches genau am spanischen Wahltag dort eintraf, begleitet von der Botschaft, dass Großbritannien niemals über Gibraltar verhandeln werde. Da die Heimkehr von Gibraltar nach Spanien das einzige politische Thema sein dürfte, bei dem Rajoy eine Mehrheit des spanischen Parlaments hinter sich hat, wird Spanien wohl in diesem seit 1704 schwelenden Konflikt nicht locker lassen. Der frühere konservative britische Außenminister William Hague hat in einer Rede vor der Londoner Royal Society bereits davor gewarnt, dass Spanien die Verlängerung der Verhandlungen mit der EU über zwei Jahre hinaus blockieren könne, falls Großbritannien sich in Gibraltar nicht gesprächsbereit zeigt. In diesem Fall würden für die Beziehungen zwischen EU und Großbritannien ab 2019 automatisch die Handelsregeln der WTO gelten.

Aktualisiert am 8.11.2016

Verfasst am 29. Juni 2016
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